2023

TRASH AND TREASURE
Welchen Wert schreiben wir Dingen zu? Von trash bis treasure; Was für die eine von unschätzbarem Wert ist und mit Sorgfalt gepflegt wird, landet beim anderen ohne langes Nachdenken als Ramsch im Müll. Der Kunstraum Limbo zeigte im Jahr 2023 vier Ausstellungen unter dem Thema «trash and treasure».

Vera Trachsel
9. November 2023 – 31. Januar 2024

«vide-poche»

Die Bieler KünstlerIn Vera Trachsel (*1988)  zeigte im Limbo in eine Reihe von kleinen, ineinander verschachtelten "Räumen", die eine Sammlung von gefundenen und weggeworfenen Objekten, Miniaturskulpturen und Erinnerungsstücken beherbergen. Inspiriert vom Konzept des vide-poches* nutzt Sie die Vitrine, um "ihre Taschen zu leeren" und ein Archiv von kleinen Objekten zu schaffen, die auf die Räume, Begegnungen und emotionalen Zustände anspielen, die wir in unserem täglichen Leben durchlaufen.

*vide-poche: ein Behälter oder Gefäss, in dem eine Vielzahl kleiner Gegenstände wie Schlüssel, Kleingeld, Busfahrkarten, Quittungen usw. aufbewahrt werden, die sich im Laufe des Tages in den Taschen angesammelt haben.

Sara Stäuble
17. August – 31. Oktober 2023

«Cumulus Mamma»

Sara Stäuble setzt sich in ihrer Arbeit für den Limbo essayistisch und experimentell mit dem Verlust ihrer eigenen Plazenta auseinander. Durch widrige Umstände nach der Geburt direkt entsorgt, hätte sich die Künstlerin zu einem späteren Zeitpunkt womöglich anders von ihr verabschiedet: «Gerne hätte ich sie angeschaut, ihre kräftige rote Farbe bestaunt, ihre Form, die fleischig wolkige Oberfläche, hätte sie angefasst, vermessen, gerochen und vielleicht, wie so viele Frauen, ein Loch in die Erde gegraben, sie hineingelegt, mich bedankt, das Loch zugeschaufelt und obendrauf einen Apfelbaum, eine Erle oder einen Holunderstrauch gepflanzt.»

Peter Baracchi
17. Mai – 31. Juli 2023

“video is a poor excuse”

Die wackeligen YouTube-Videos von im Wind tanzenden Plastiktüten stammen von Amateur-Filmern auf der ganzen Welt. Inspiration dafür war der Blockbuster «American Beauty» (1999) von Sam Mendes. Die ikonische Schlüsselszene des Films brannte sich in das kollektive Gedächtnis ein.

Sowohl der Film selbst als auch die tanzenden Plastiktüten werden heute, gut 25 Jahre später, anders wahrgenommen: Technische Entwicklungen, Klimawandel und gesellschaftliche Umbrüche haben unsere Sichtweise auf die Welt verändert. Diese Wahrnehmungsverschiebung diente dem Zürcher Künstler Peter Baracchi (*1982) als Ausgangspunkt für seine installative Arbeit.

Vanessà Heer
16. Februar – 30. April 2023

«Eine Giraffe, die auf einem Scherbenhaufen grast»

Im Limbo zeigte Vanessa Heer ein Arrangement der Neu-Anordnung, von zurückgebliebenen Objekten und eine Reihe von klagenden Stimmen, die beständig versuchen zu erinnern. Glas zersplittert, Linien wie Geschichten zeichnen sich ein, in eine Materialität, die etwas Bestehendes zu etwas Vergänglichem macht. Wie ein Zittern durchfahren einen der Klang von Scherben, sowie andere Zyklen von Konstruktion und Zerstörung. Eine Stadt übersät von Baustellen, von der Künstlerin gesammelte Reststücke nach innen konserviert, erschienen uns in einem scheinbar endlosen Kreislauf gefangen. Wir traten ein in eine Komposition einer postapokalyptisch anmutenden Landschaft, immer in Bewegung, immer lärmig, effizient und aktiv; aber für wen?

Vanessà Heer (*1989) lebt und arbeitet in Zürich. Sie arbeitet interdisziplinäre mit klangbasierten Praktiken und gemeinsamem Zuhören arbeitet. 2010–2018 studierte sie in Zürich, Wien, Berlin und schloss mit dem MA in Fine Arts an der ZHdK ab. Von 2016–2020 war sie als Co-Gründerin im diskursiven Kunstraum Raum°Station und ist auch aktuell in diversen Kollektiven aktiv. Ihre Arbeiten werden international ausgestellt, u.a. Kunst Halle Sankt Gallen, Helmhaus Zürich, Swiss Art Awards Basel, Berlin Art Week, Marrakech Biennale in Marrakech, Detroit Contemporary Detroit, Parque de la Memoria Buenos Aires. Zuletzt erhielt sie 2022 den Werkbeitrag des Kanton St.Gallen, den Projektbeitrag des BAK Kulturfonds und den Recherchebeitrag von Pro Helvetia.


WHAT IS THE TIME IN BETWEEN TIME?

Die Zeit zwischen der Zeit, die Zeit die wir abwarten müssen, die Unzeit... Das Limbo befasste sich in seinem ersten Jahr mit der Zeit und ihren verschiedenen Stadien. 

2022

Boskovic-Scarth
17. November 2022 – 31. Januar 2023

“Vanitas-Stillleben mit gelismeter Schweizerfahne”

Boskovic-Scarth Arbeit Vanitas-Stillleben mit gelismeter Schweizerfahne ist eine den raumfüllende Malerei in der Grösse des limbo. Die Entscheidung zu diese Malerei dauerte laut Boskovic-Scarth gefühlte hundert Jahre. Hundert Jahre hat es wohl auch gedauert, bis die gelismete Fahne so aussah, wie sie auf der Malerei aussieht.

Mehrere Tage bis sie gelismet war. Dann die lange Verfallszeit; Generationen von Motten legten ihre Eier – schlüpften - assen ein kleines Stückchen – verpuppten sich und verflogen, Flechten und Schimmelpilze breiteten ihre Territorien aus und Lichtstrahlen liessen die Farbpigmente verblassen. Auch die malerische Umsetzung dieses Geschichten sprudelnden Bildes dauerte mehrere Tage; die Löcher waren schnell da, aber die unendlich vielen einzelnen Maschen waren zeitaufwändig. Geschichten hat nicht nur die Malerei erzählt sondern auch Louvovitch. Begleitet von ihrer Gitarre durften wir zur Vernissage ihren Geschichten lauschen.

Mira Tschaeni
17. Mai – 31. Juli 2022

“Growing Crystals“

Die Künstlerin Mira Tschaeni (*1975) lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Beinwil am See. Seit dem Studium an der Hochschule für Design und Kunst Luzern arbeitet sie als selbständige Künstlerin und realisierte im Künstlerduo Husmann/Tschaeni Kunstprojekte in der Schweiz, Indien, Australien, Deutschland und den USA. Die oft sehr farbigen und grosszügigen Malereien und Rauminstallationen verweben naturalistische Beobachtungen mit phantastischen Bildelementen.  Während ihrem Atelieraufenthalt in London (2021) hat sich die Künstlerin auf den Bereich der Performance, Sound und Video konzentriert.

In der Ausstellung “Growing Crystals“ zeigt Mira Tschäni ab dem 18. August im Kunstraum Limbo ihre Video- und Soundarbeit, welche im Rahmen ihres, von der Pandemie geprägten, Atelierstipendiums in London entstanden ist. Der sechsmonatige Atelieraufenthalt 2021 hat sich für Mira Tschäni angefühlt wie eine Zeit, zwischen der Zeit, alles schien stehen geblieben, anstatt sich von der pulsierenden Grossstadt inspirieren zu lassen, war die Künstlerin im harten Lockdown auf sich selbst und ihre unmittelbare Umgebung zurückgeworfen.

Konzentriert auf Sound, Text, Licht und Bewegung experimentierte Mira Tschäni mit Küchenutensilien, Wasser, Matratzen, ihrer Stimme, einem gemieteten Cello, dem Kanal neben dem Ateliergebäude, spontanen Gedanken, Bodysuits, Wolle, Draht und vielem mehr.

Laura Ferrara
17. Mai – 31. Juli 2022

“Looking for the Message”

Die Zürcher Kunstschaffende Laura Ferrara (*1985) beschäftigt sich in ihrer künstlerischen Praxis mit dem kollektiven Bildgedächtnis und Gesten des Zeigens. Dabei nutzt sie archivarisches, lexikalisches und dokumentarisches Ausgangsmaterial, um gängige Formen und Logiken von Darstellungen zu hinterfragen. Sie arbeitet vorwiegend installativ sowie mit dem Medium Film.

In der Arbeit „Looking for the Message“ wird einer Erzählung aus dem Jahr 1957 rund um verborgene Botschaften im Kino nachgegangen. Dafür sammelte Laura Ferrara Zeitdokumente, collagierte diese, schaffte neue Bezüge und interpretierte so die Erzählung neu.

Myrien Barth
4. März – 30. April 2022

Myrien Barth (*1989) ist Videokünstlerin & Filmemacherin.

Ihre filmischen, wie künstlerisch-installativen Videoarbeiten folgen einer spielerischen, tagebuchartigen Erzählweise. Ihre Arbeiten erheben sich aus einer Sammlung von Beobachtungen rund um ein Thema. Mit aufmerksamem Blick findet sie in alltäglichen, gar unauffälligen Geschehnissen ästhetische, abstrakte und poetische Bilder.

In ihren Installationen experimentiert sie mit der Materialität der Projektionsflächen und der Frage, wie Bewegtbild im Raum zur Geltung kommen kann.

Sie lebt seit Herbst 2018 in Basel und absolvierte 2014 den Bachelor in der Studienrichtung Video in Luzern; seither arbeitet sie als selbständige Filmemacherin, leitet Filmworkshops und realisiert im Duo mit Bonny Orbit Auftragsfilme für Kunst & Kultur.


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